Geburtsbericht - Solly

Geburtsbericht - Solly

Wie schön, ein Sternengucker!

In diesem Blogbeitrag möchte ich euch gerne von der Geburt unseres Sohnes Solly erzählen. Wie viele von euch bereits wissen, nehme ich selten ein Blatt vor den Mund und erzähle die Dinge so wie sie sind, genau deshalb ist vielleicht auch dieser Blogbeitrag nichts für Frauen, die möglicherweise kurz vor einer Geburt stehen oder generell den Glauben an eine schmerzfreie Geburt aufrecht erhalten wollen. Gleich vorweg möchte ich betonen, dass ich natürlich nur aus meinen Erfahrungen berichten kann und mit Sicherheit jede Geburt unterschiedlich verläuft.

Gegen Ende meiner Schwangerschaft wollte ich einfach nur noch das die Geburt endlich losgeht. Ich konnte kaum noch schlafen, hatte überall Wassereinlagerungen, Ischias Schmerzen, Sodbrennen, habe etwa 20 kg zugelegt und mich absolut NICHT mehr wohlgefühlt. Am 02.11.18 um 00:30 Uhr war es dann endlich soweit.

02.11.2018 / 00:30 Uhr – „Schatz es geht los, aufwachen!“

Als ich zwei Tage überfällig war, platze nachts gegen 00:30 Uhr endlich meine Fruchtblase. Eine heftige Wehe riss mich aus meinem Schlaf und machte mir unmissverständlich klar, dass das Warten nun endlich sein Ende hat. Kurz dachte ich, dass ich in die Hose gemacht habe, doch mir wurde relativ schnell bewusst, dass es nur das Fruchtwasser sein kann. Ich weckte Moritz der neben mir wie eine tote Ratte schlief. „Schatz? Schatz!! Es geht los, aufwachen!“ Moritz schaute mich mit seinen süßen Maulwurfsaugen an und sagte: “Leg dich wieder hin Engel, alles ist gut, es geht noch nicht los!“

Ich wusste nicht genau, ob ich lachen oder heulen sollte. Also stand ich auf und ging duschen. Ich möchte ja schließlich frisch gewaschen auf dem Gebärstuhl liegen. Rückblickend betrachtet, war das somit die unnötigste Idee die ich hatte. Denn wenn die Fruchtblase einmal geplatzt ist, dann läuft das Wasser über Stunden aus dir heraus und alles wird nass. Klar kann man Duschen, bringt nur einfach nichts. Naja dachte ich, am besten rasierst du dich nochmal, damit die Ärzte das Kind später auch finden. Gesagt getan. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich übrigens Wehen im Minutentakt und das waren weiß Gott keine pille palle Übungswehen.

Mein Frauenarzt sagte mir damals, dass sich die Wehen in der Regel langsam aufbauen und man ab Beginn noch etwa zwei bis drei Stunden zu Hause bleiben kann, ehe man in ein Krankenhaus fährt. Allerdings wiederholten sich meine Wehen so regelmäßig, dass wir sofort in ein Krankenhaus fuhren.

02.11.2018 / 1:30 Uhr – „Gebt mir Schmerzmittel, schnell!“

Die Fahrt in unser Krankenhaus dauert in der Regel 10 min und hat sich in dieser Nacht angefühlt wie eine halbe Ewigkeit. Jede noch so kleine Unebenheit war für mich der reinste Schmerz. Parkplatz direkt vor dem Krankenhaus, Jackpot! Jetzt mussten wir nur noch in den dritten Stock und der Spaß kann beginnen.

Mit dem Aufzug angekommen, empfing uns eine Hebamme mit den Worten „Oh, das klingt nach Geburt!“. Richtig, dachte ich. Hier sind wohl ganz schlaue Hebammen am Werk. Immerhin schrie ich bereits das halbe Krankenhaus zusammen und tropfte aus der Hose, wie eine alte Gießkanne. Im Kreißsaal angekommen wurde ich direkt an ein CTG angeschlossen. Für mich in diesem Moment unbegreiflich. Dieser enge Gurt um meinen Bauch gab mir den Rest. Ich zog ihn sofort wieder aus und sagte, dass ich kein CTG mehr möchte und verlangte nach Schmerzmittel. Tatsächlich hatte ich ein paar Tage vor meiner Geburt mit einer Hebamme abgesprochen, dass ich es so lange wie möglich ohne Schmerzmittel versuchen möchte, allerdings habe ich meine Meinung in diesem Moment schlagartig geändert. „Gebt mir alles, mir ganz egal, Hauptsache diese unerträglichen Schmerzen nehmen endlich ein Ende!“ Kurz darauf bekam ich ein Schmerzmittel gespritzt, in der Hoffnung, das die Wehen ein wenig erträglicher sein würden. Das Glück war definitiv nicht auf meiner Seite, denn die Kanüle in meiner Hand verrutschte, sodass sich das Schmerzmittel lediglich in meinem Handrücken versammelte und Tennisballgroß anschwoll. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Also wurde eine neue Kanüle gelegt, diesmal in die andere Hand. Ein paar Minuten später setzten die Herztöne von unserem Baby aus, sodass die Zufuhr der Schmerzmittel sofort unterbunden wurde. „Es tut uns leid aber ihr Baby reagiert leider zu stark auf die Schmerzmittel!“ Was?? Das war doch bestimmt ein schlechter Witz, oder! Ich soll also diese ganze Geburt ohne Schmerzmittel aushalten? Ich war mit meinem Latein vollkommen am Ende und wusste nicht so richtig wie ich das ganze überleben sollte.

02.11.2018 / 2:30 Uhr – „Wir bekommen einen Sternengucker!“

Alternativ zu einem Schmerzmittel das gespritzt wird, bekam ich letztendlich Lachgas mit Hilfe einer Maske. Diese Maske hält man sich selbst an die Nase und atmet durch diese stark ein und aus. Die Wirkung von Lachgas ist in etwa so, als hättest du ein Glas Wein getrunken und wärst leicht angeschwippst. Tatsächlich war mir diese Lösung für bzw. gegen meine Schmerzen lieber als gar keine Lösung, allerdings kann ich rückblickend nicht genau sagen, inwiefern es meine Schmerzen gelindert hat. Fakt ist jedoch, dass ich die gesamte Geburt ziemlich abwesend war, nicht reden konnte, sehr viel geschrien habe und zwischen den Wehen immer in einen kurzen Tiefschlaf verfallen bin. Anfangs öffnete sich mein Muttermund sehr langsam, sodass wir verschiedene Stellungen ausprobierten in der Hoffnung er würde sich schneller weiten. Als mein Muttermund untersucht wurde, stellten die Ärzte allerdings fest, dass unser Baby mit dem Kopf falsch herum lag, diese Position des Babys nennt man „Sternengucker-Lage“.

Die optimale Startposition für die Geburt ist die Vordere Hinterhauptslage. Dabei zeigt der Rücken des Babys zum Bauch der Mutter, das Gesicht des Babys ist zum Rücken hin gedreht. In der Regel drehen sich die Babys kurz vor der Geburt in die vordere Hinterhauptslage. Bei einer geringen Anzahl von Geburten kann es allerdings dazu kommen, dass sich das Baby nicht optimal positioniert. Zu diesen Lagen gehören unter anderen die Steißlage, bei der der Kopf des Babys nach oben statt nach unten zum Becken der Mutter zeigt, und die so genannte Sternengucker-Lage.

Wie liegt ein Sternengucker-Baby?

Sternengucker-Babys liegen zwar mit dem Kopf nach unten zum Becken hin, allerdings guckt das Baby nicht zum Rücken der Mutter, sondern zu ihrem Bauch hin. So kommt der Name des Sternenguckers zu Stande. Zwar ist bei Sternenguckern einen vaginale Geburt möglich, allerdings kann sie schwieriger sein und es kann eher zum Einsatz von Hilfsmitteln kommen. Statistisch gesehen kommt diese Lage-Anomalie in 0,5 bis 1% der Geburten vor. Hat eine Klinik etwa 1500 Geburten jährlich, dann sind es etwa 6 bis 11 Sternengucker im Schnitt.

02.11.2018 / 3:30 Uhr – Dieser Moment war einfach erniedrigend!

Tatsächlich hätte ich mir ursprünglich gewünscht, in keinem Krankenhaus zu entbinden. Nicht weil ich die Kompetenzen der Ärzte untergraben möchte, sondern einfach weil ich mich in Krankenhäusern noch nie besonders wohl gefühlt habe. Das Licht, der Geruch und generell alles in Krankenhäusern erweckt in mir immer schnell den Wunsch wieder nach Hause zu gehen. Diesmal war ich sehr froh, dass wir uns doch für eine Krankenhaus-Geburt entschieden haben, da meine Geburt einfach mit zu vielen Komplikationen verbunden war. Während meiner Geburt musste ich mich des Öfteren übergeben und habe dabei ständig das Fruchtwasser rausgepresst. Ich übertreibe nicht, wenn ich euch sage, dass es aussah, wie auf einer Schlachtbank. Ich stand in meinem hellgrünen Krankenhauskittel an ein Bett gelehnt, vor mir die Schale in die ich Brechen durfte und unter mir ein See aus,... ich möchte es gar nicht weiter ausführen. Dies war definitiv einer der erniedrigendsten Momente in meinem Leben, nicht weil die Ärzte nicht tolle Arbeit machten, sondern einfach weil ich mir selbst so hilflos vorkam.

02.11.2018 / 4:30 Uhr – 10 cm Muttermund, raus mit dem Sternengucker!

Ich glaube jeder der schon mal ein Baby zur Welt gebracht hat wird bestätigen, das man während einer Geburt vollkommen das Gefühl für Raum und Zeit verliert. So hatte ich beispielsweise das Gefühl seit Stuuuunden in den Wehen zu liegen, doch tatsächlich war es eine verhältnismäßig kurze Zeit, in der ich diese Schmerzen ertragen musste. Nachdem ich meine Position änderte und nun auf dem Bett kniete und mich aufrecht gegen die Lehne beugte, öffnete sich mein Muttermund innerhalb von einer halben Stunde auf 10 cm. Ich konnte es nicht fassen und war so unendlich froh zu wissen, dass sich die Geburt nun langsam dem Ende neigen würde.

02.11.2018 / 4:30 Uhr – „Er steckt fest!“

Da meine Geburt alles andere als „normal“ verlief hatte ich mittlerweile zwei Ärzte und zwei Hebammen mit im Kreißsaal, plus Moritz der mich in jeder Sekunde so unglaublich unterstützte. Tatsächlich habe ich mich vor meiner Geburt immer gefragt, woran ich erkenne, dass ich pressen muss. Als es dann soweit war erübrigte sich meine Frage sehr schnell, denn dies ist definitiv etwas, was dein Körper von ganz alleine tut. Als ich das erste Mal pressen musste, war ich unsicher und wusste nicht genau, ob das alles so richtig ist, doch die Hebamme sagte mir, dass der Muttermund geöffnet sei und ich ruhig pressen darf. Naja mal ehrlich, so richtig aussuchen kann man es sich auch nicht in diesem Moment. Ich musste pressen und dabei leider auch Kacken. Ja Freunde, so ist das bei einer Geburt. Man bzw. Frau hat absolut nichts mehr unter Kontrolle und soll ich euch was verraten, in dem Moment ist euch einfach alles egal, Hauptsache das Ganze hat hier bald ein Ende. Als ich unser Baby ziemlich weit nach unten gepresst habe, steckte es leider sehr lange im Geburtskanal fest, sodass die Sauerstoffzufuhr unterbrochen wurde. Um sicher zu gehen, dass es dem Baby gut geht, wurde seinem Kopf regelmäßig Blut entnommen und in ein Labor verschickt. Tatsächlich geht sowas in diesen Situationen super schnell, sodass sofort sichergestellt werden kann, ob eine natürliche Geburt weiterhin Sinn macht oder doch ein Not-Kaiserschnitt in Erwägung gezogen wird.

02.11.2018 / 5:30 Uhr – „Eine brennende Bowlingkugel!“

Glücklicherweise war trotz der ganzen Komplikationen alles soweit in Ordnung, sodass meine Geburt auf natürlichem Wege von statten ging. Als unser Baby mit dem Kopf Richtung Ausgang schaute, fühlte es sich an, als würde ich eine brennende Bowlingkugel herauspressen. Diese Schmerzen sind absolut NICHT in Worten zu beschreiben. „Mit der nächsten Wehe pressen Sie so feste Sie können und wenn ich JETZT sage, dann legen sie nochmal 100% drauf!“ Diesen Satz der Oberärztin werde ich nie vergessen. Denn mir wurde langsam klar, dass unser Schatz da rausmusste und die Situation alles andere als ungefährlich war. Mir wurde ein Handtuch um den Bauch gewickelt und das Baby wurde von zwei weiteren Ärzten nach unten gedrückt.

02.11.2018 / 06:17 Uhr – „Er ist da!“

Tja und auf einmal machte es „PLOPP“ und der Kopf war draußen. Mit der nächsten Wehe kam der Körper hinterher und unser Engel war endlich auf der Welt. Dieses Gefühl ist nicht in Worten zu beschreiben. Ich war so unendlich dankbar, so unfassbar stolz auf Moritz, Solly und mich und einfach nur überglücklich, dass es allen Beteiligten gut ging. Wir haben es geschafft, wir sind Mama und Papa und haben eine unbeschreibliche Geburt gemeistert. Solly wurde mir direkt auf den Bauch gelegt und schaute ganz gespannt durch den Raum. Moritz weinte und ich wollte einfach nur noch schlafen.

 

 


18 Kommentare

  • lrhds

    Danke für diesen ehrlichen und witzigen Bericht der Geburt. Meine kleine war auch ein Sterngucker musste aber am Ende per Kaiserschnitt geholt werden. Ich finde mich in diesem Blogpost zu 100% wieder ♥️
    Sehr gute Arbeit ✨

  • Nathalie

    So ähnlich verlief auch unsere Geburt. Ich lag zwar 22,5h Stunden in den Wehen, aber auch unser kleiner Babymann war ein Sternengucker und auch bei ihm wurde auch regelmäßig der ph-Wert kontrolliert. Tja so schnell kanns gehen und man lässt, nach jetzt 4,5 monaten, die eigene Geburt nochmal Revue passieren.
    Danke, dass du es so authentisch geschrieben hast. 🧡

  • Arabella Wolf

    Herzergreifend.
    Habe erst vor kurzem den Geburtsbericht meiner Mama gelesen. Die Geburt war auch alles andere als einfach. 16std30min & heute bin ich 22 Jahre jung & dankbar, es lesen zu dürfen. Mitzufühlen & vielleicht selbst einmal Mama werden 🙈💗 danke für solch einen privaten & emotionalen Einblick in euer Leben

  • Steffi

    Danke für diesen tollen und absolut ehrlichen Bericht. Du beschreibst es so lustig und authentisch sodass ich zwischendurch echt lachen musste. Ihr seid großartig. Und Solly ist ein toller Sternengucker geworden!!!! ❤

  • Änny_4lein

    Ich hab damals ihn in Instagram in eurer Story gelesen.. und finde mich auch heute wieder 1:1 in unsere Geburt im März versetzt, wieder beim lesen mit Tränen in den Augen, bei der Vorstellung der Schmerzen aber auch dem Gefühl nach dem „Plopp“!!

    Danke für euren Blog! Jedes Mal taucht man ab, wenn man etwas liest und sieht von euch! Einmal kurz abschalten im stressigen Alltag! 🥰


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